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Laternen, Gänse und ein großer Heiliger – Was es mit St. Martin auf sich hat

Vielerorts findet an St. Martin (11.11.) im Gedenken an den Heiligen Martin der traditionelle Martinsumzug mit Laternen, einem Reiter auf seinem Pferd, der seinen Mantel teilt, und der Martinsbrezel statt. Häufig wir auch die Legende vom Heiligen St. Martin nachgespielt.

St. Martin wird in der Regel am 11. November, in protestantischen Gegenden manchmal auch schon am 10. November, gefeiert in der Erinnerung an den Heiligen Bischof Martin von Tours und ist dabei von zahlreichen Bräuchen geprägt.

Martin von Tours lebte von 316/317 bis 397 und diente von seinem 15. bis zu seinem 40. Lebensjahr in der Leibwache des Kaisers und lebte dann einige Jahre zurückgezogen als Einsiedler. Martin gründete in seinem Leben mehrere Klöster und hatte schnell viele Anhänger, die ihm folgten. Er war Zeit seines Lebens als Wundertäter und Nothelfer bekannt und wurde von den Menschen dafür sehr geschätzt. 372 wurde Martin Bischof von Tours und lebte dort in einer Holzhütte vor der Stadtmauer.

Nach seinem Tod am 8. November 397 wurde er heilig gesprochen und war damit der erste Heilige, der nicht als Märtyrer, sondern eines natürlichen Todes gestorben war.

Die Legende um den Heiligen Martin besagt, dass er als Soldat der Kaiserlichen Garde eines Tages auf dem Weg einem hilfsbedürftigen und nur dürftig bekleideten Mann begegnete. Da er als Soldat nichts außer seiner Rüstung, seinen Waffen und seinen Militärmantel bei sich trug, nahm er letzteren, teilte ihn in der Mitte entzwei und gab dem Bettler eine Hälfte.

Die Legende besagt, dass ihm in der darauffolgenden Nacht Christus im Traum begegnete und zu ihm sagte: „Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan!“

Die vielen Bräuche rund um St. Martin, wie das Essen der Martinsgans, haben ihre Wurzel in verschiedenen Umständen.

Dieser Brauch wird zum einen darauf zurückgeführt, dass der Martinstag am Beginn der 40tägigen  Fastenzeit lag. Die vor Weihnachten und in der Adventszeit begannen wurde.

Am Tag vor Beginn der Fastenzeit konnten die Menschen „zum letzten Mal“ vor Weihnachten so richtig schlemmen und ließen es sich beim Gänsebraten noch mal gut gehen.

Die Adventszeit war anfangs – möglicherweise ab der Mitte des 4. Jahrhunderts – eine Fastenzeit, die die Alte Kirche auf die Tage zwischen dem Martinstag (11. November) und dem ursprünglichen Termin festlegte, an dem die Geburt Jesu gefeiert wurde, dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar. Gefastet wurde zunächst an drei Tagen pro Woche, später an allen Tagen außer Samstag und Sonntag. In den acht Wochen (56 Tagen) vom Martinsfest bis zum 6. Januar ergaben sich ohne die Wochenenden 40 Fasttage, entsprechend der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern. Erste Spuren einer solchen Vorbereitung auf das Geburtsfest Jesu finden sich in der Ostkirche, wo das Fest der Erscheinung des Herrn ein wichtiger Tauftermin war, im Westen entwickelte sich die adventliche Fastenzeit zuerst in Spanien und in Gallien. Die Adventszeit in der vierwöchigen Form mit Bezug auf Weihnachten geht auf das 7. Jahrhundert zurück

Außerdem war der Martinstag traditionell der Tag, an dem der Zehnt, also die Steuer, abgegeben wurde. Das geschah in der Regel in Form von Naturalien. Angeblich wurden auch Gänse als Zehnt abgegeben, da sowieso nur eine eingeschränkte Anzahl von Gänsen durch den bevorstehenden Winter durchgefüttert werden konnte.

Aber die bekannteste Legende um die Martinsgans besagt, dass die Gänse der hl. Martin in seinem Versteck verraten haben. Als die Menschen von Tours Martin zu ihrem Bischof machen wollten, versteckte sich dieser aus Angst vor dem Amt in einem Gänsestall. Das Geschrei der Gänse verriet ihn, die Menschen fanden Martin und machten ihn zu ihrem Bischof.

Auf Grund dieses Verrates ist es Tradition am 11.11. die Gänse zu  schlachten, zu braten und zu essen – Mahlzeit J!

© Entdeckungskiste – „Der Herbst und seine Feste“

 

Ob Vollkorn, Weizen oder mit Nüssen. Brot ist eines der vielfältigsten Lebensmittel, die wir verzehren. Es gibt eine breite Spanne. Von eher ungesundem Toastbrot zu einem selbstgebackenen Brot ohne Konservierungsstoffe, mit ganz vielen gesunden Samen und Nüssen.

Je nach Sorte und Belag kann es auch ganz anders schmecken – süß, herzhaft, scharf, …

Für viele uns ganz klar ein Grundnahrungsmittel.

Es gibt Spuren, die darauf hinweisen, dass selbst Neandertaler schon Hafer und Gerste zu Mehl vermahlen konnten und daraus dann „Brot“ hergestellt haben. Natürlich in einer anderen Form als wir Brot heutzutage kennen.

Auch in der Bibel hat das Brot eine sehr wichtige Bedeutung und wird als Gottesgeschenk gedeutet.

Zum einen natürlich das Brot als Symbol für Jesu Leib beim letzten Abendmahl.

Das Brot wird aber auch zum Sinnbild des Teilens als Jesus die Anzahl der Brote vervielfacht, um die Menschen zu ernähren.

Wir benutzen heutzutage auch manchmal das Sprichwort „das ist mein täglich Brot“. Das ist nicht nur ein Symbol für den Leib Christi, sondern ein Symbol der gesamten Menschheit für die überlebenswichtigen Dinge. Brot ist hierbei nämlich ein Synonym für die menschliche Kultur und zeigt auch noch einmal, wie wichtig das Brot für die Menschheit ist.

»Nun haben wir von Gott lauter Liebe und Wohltat empfangen, denn Christus hat für uns seine Gerechtigkeit und alles, was er hatte eingesetzt und hingegeben, hat alle seine Güter über uns ausgeschüttet, welche niemand ermessen kann; kein Engel kann sie begreifen oder ergründen: denn Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht.«

(Martin Luther, in einer Predigt 1522)

Martin Luther vergleicht Gottes Liebe mit einem Backofen voller glühender Liebe. Was für ein schöner Vergleich. Ein Backofen hat immer auch etwas Faszinierendes und viele Bilder aus meiner Kindheit stellen sich in meinen Gedanken ein. In meinen Kindertagen verbrachte unsere Familie oft den Sommerurlaub in Südtirol. Traditionell ging die erste Wanderung von Ehrenburg über Kiens durch Hofern hinauf auf die Grünbachalm. In Hofern gab es eine Bäuerin Namens Maria. Dort haben wir immer gerastet und von ihr eine frische Milch bekommen. Nicht weit von ihrem Haus stand ein alter Backofen. Ich fand ihn sehr interessant. Er erinnerte mich an Hänsel und Gretel – weil ich dachte, die schönen Lebkuchenherzen, die man auf der Kirmes kaufen konnte, würden dort gebacken – oh, was habe ich als Kind die Märchen der Brüder Grimm geliebt. Mein Onkel war Bäcker- und Konditormeister. Als kleiner Bub fand ich sehr spannend ihn zu beobachten, wie er mit dem langen Brotschieber die Brote in den Backofen schob und dann fertig gebacken herausholte. Der Duft der Backstube ist noch heute in meiner Erinnerung. Meine Mutter backte einmal die Woche einen Kuchen und es war sehr interessant den Backvorgang durch die Glasscheibe in der Ofentür im Backofen zu beobachten. Als unsere Klosterbäckerei noch direkt im Klosterhauptgebäude war, da durchzog schon morgens um halbsechs zu den Vigilien der Duft von frischem Brot die ganze Klausur. Wenn die Brüder in der Rekreation den Kaminofen entzündeten, dann strömte schnell eine wohlige Wärme in den Raum.  In einem Backofen wird Brot oder Kuchen gebacken. In einem Heizofen wird Holz/Papier verbrannt, um Wärme zu erzeugen. Je mehr Holz, desto mehr Wärme. Man muss aber immer und immer wieder Holz nachlegen, damit die Wärme bleibt.

In Gottes Backofen der Liebe, darf und soll auch immer „Brennmaterial“ nachlegt werden. Es muss gutes, bestes Holz werden: Nämlich das Holz der Barmherzigkeit. Gottes Liebe wie ein Backofen, der glüht und Wärme in die gesamte Welt strahlt. Und seine Liebe ist bedingungslose, weil sie eben durch Barmherzigkeit brennt. Gottes Liebe strahlt in unser Leben. Die Fastenzeit will uns einladen uns an Gottes Backofen der Liebe zu wärmen. Seine warme Liebe in uns aufzunehmen. Und dann seine Liebe auch weiterzugeben. In Gottes Backofen der Liebe wird für uns sein liebendes Brot des Lebens gebacken. Dieses Brot des Lebens schenkt Gott uns großherzig – wir dürfen es empfangen und untereinander teilen und dann verzehren. Das Brot des Lebens aus der Liebe Gottes: Jesus Christus.

(Br. Benedikt Müller OSB)

 

Der Garten meiner Kindheit war für mich dem Garten Eden gleich und so ein Paradies für mich in meinen Kindertagen. Meine Mutter verbrachte viel Zeit in diesem Garten. Ihr ganzes Herzblut legt sie in ihn. Gott hat es ihr gesegnet, denn der Garten meiner Kindheit stand in einem üppigen Grün der schöpferischen Grünkraft. Im Frühjahr wurden die Beete hergerichtet und dann wurde ausgesät. Ich erinnre mich, dass ich ein kleines Stückchen Garten bekam  und ich Möhren und Radieschen aussäte. Dann begann die lange Zeit des Wartens – endlich: Die Möhren ließen ihr Grün aus der Erde wachsen. Es wurde länger und länger! Und ich wollte ernten, aber Mutter sagte mir, dass das nicht ginge – es wäre noch zu früh. Es braucht halt Zeit. Ich war aber nicht sehr geduldig und zog an dem Grün der Möhren! Und schwupp di wupp war eine der Möhren aus der Erde. Großes Staunen:  Am Ende war nur eine Mini Mini-Möhre dran! Da musste ich feststellen, dass die Möhre auch nicht schneller wächst, wenn ich dran ziehe!

Lebensschule live! Ich hatte was fürs Leben gelernt! Hinter dieser Erfahrung steckt für mich die Erkenntnis, dass bestimmte Entwicklungen im Leben ihr Zeit benötigen. Alles hat seine Zeit. Säen hat seine Zeit – ernten hat seine Zeit!

Und so ist es mit dem Korn auch. Das Getreide braucht seine Zeit, um zu wachsen und um zu reifen. Erst dann kann es der Landwirt ernten und das Korn zur Mühle bringen, damit Mehl gemahlen werden kann.

Mit unserem Glauben ist es ebenso. Erst wenn die Zeit reif ist, dann darf ich vom Acker des Lebens das Körner in Fülle ernten. Zuvor säet Gott den Samen seiner Liebe in unsere Herzen. Dort wächst der Samen und keimt. Ich muss gar nichts dafür tun, nur den Boden meines Herzens immer wieder für Gott Weisungen bereiten. Gottes Wort wächst als Samen in mir und wird größer. Es wird zum Halm. Es entwickelt sich die Ähre und auch die braucht ihre Zeit zum Reifen. Ich muss mir nur selbst Zeit schenken. Meine innerste Erfahrung sagt mir, dass das Korn der Liebe Gottes in meinen Herzen irgendwann auch reif sein wird. Dann kann mein Herz anhalten und sich bereiten für das ewige Erntedankfest bei Gott.

(Br. Benedikt Müller OSB)

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ (Johannes 12,24) Dieses ist eines der bekanntesten Jesusworte. Doch was meint er damit?

Ein Weizenkorn ist erst einmal nichts Besonderes. Es ist klein und es gibt sie in unvorstellbaren Mengen. Viele Körner zusammen genommen können zu Mehl verarbeitet werden, woraus wiederum die verschiedensten Lebensmittel hergestellt werden. Ein Korn allein bringt uns daher wenig. Oder?

Nein, aus einem Korn können sehr viele neue Körner hervorgehen. Dafür muss es ausgesät werden. Es kommt in die Erde und daraus wächst wieder neuer Weizen, an dessen Ähren wieder neues Korn entsteht. Es muss also zuerst sterben um mehr zu werden.

Anschließend an diesen Vers sagt Jesus, dass diejenigen, die ihr Leben liebhaben, es verlieren werden. Diejenigen aber, die ihr Leben auf dieser Welt aufopfern und für andere hingeben, werden das ewige Leben erhalten. Daraus ergibt sich eine Aufforderung, Jesus nachzufolgen. Und scheinbar ist dies auch 2000 Jahre später immer noch aktuell.

Im übertragenen Sinne meint Jesus also, dass man sich oft aufopfern muss – man investiert viel Zeit und Kraft – um etwas Neues entstehen zu lassen. Viele Innovationen kommen daher, dass sich Menschen viel Zeit genommen haben, sich den Kopf zerbrochen haben oder Kraft aufgewandt haben. Auch in der sozialen Arbeit mit allen Altersgruppen ist dies oft der Fall. Es gibt viele Menschen, die sich für andere hingeben und für sie sorgen, sich um sie kümmern.

Bei einem solchen kleinen Weizenkorn ist es, wie mit Jesus selbst. Er weiß, dass er sterben muss um das neue, ewige Leben zu bringen, einen neuen Anfang zu setzen. Die Getreidepflanze wächst empor und ist für alle sichtbar. So werden durch den Tod hindurch die Freude und das neue Leben sichtbar werden. Dieses Bild gibt einen Ausblick, ein Zeichen, dass Jesus hier schon auf Ostern, auf die Auferstehung gibt. Das ist eng verbunden mit Kreuz, Tod, mit Leiden, Trauer und Angst. Doch Jesus lässt uns in dieser Trauer nicht allein. Er geht uns den Weg voraus und schließt uns die Tür zum ewigen Leben auf. Wir brauchen uns nicht zu fürchten.

Und mit diesem Gedanken blicken wir voller Zuversicht auf die vor uns liegende Kar- und Ostertage.

 

(Adrian Knieriemen)

 

Es wird (hoffentlich) langsam Frühling. Das Bild vom Acker, der bestellt wird, steht für mich für den Frühling. Das Bild vom Acker oder vom fruchtbaren Boden, auf dem Neues wachsen und gedeihen kann, passt in diese Zeit hin zum Osterfest. Vielleicht ist das Lied „Im Märzen der Bauer die Rößlein anspannt“ bekannt. Meine Mutter hat es mir als Kind oft vorgesungen und ich war sehr stolz als ich dann auf meiner Blockflöte spielen konnte. Heute spannt der Landwirt j ehr den Trecker an. Der Bauer setzt seine Felder und Wiesen jetzt instand. Im Frühjahr haben die Landwirte damit sehr viel zu tun. Wir wissen: Wer ernten will, muss den Boden aufbereiten. Für unser täglich Brot berietet der Bauer den Acker vor. Das Bild vom Acker ist zugleich auch ein tief biblisches Bild, besonders in den Gleichnissen Jesu.

Ob die Saat aufgeht, hängt nicht nur vom Saatgut oder dem Wetter ab, sondern eben auch, ob der Boden gut vorbereitet wurde. Bodenbeschaffenheit und Klima und Wetter sind dafür wesentliche Bedingungen.

Die Fastenzeit lädt uns ein, dass wir unseren innerlichen Acker im Herzen auch gut vorbereiten. Gott will in unseren Herzen aussäen. Das Saatgut, dass er für uns hat, sind unsere Talente. Nun kommt es auf mich darauf an, ob ich meine Bedingungen nutze, um meine Talente wachsen zu lassen. Aber Gott will auch durch Jesus Christus seine Liebe auf unseren Lebensacker aussäen. Bereiten wir unseren innerlichen Acker auf Christus vor, damit mit er in uns an Ostern aufblühen und in unserem Herz wachsen kann.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Unsere Wahrnehmung der Welt ist durch unsere Sinnesorgane geprägt. Für Hildegard von Bingen ist die ganzheitliche Sinnlichkeit des Menschen wesentlich, denn der Mensch ist durch die Schöpfungselemente ein durch Gottes Liebe geschaffenes Wesen. Gott gab uns die Sinne, um seine Schöpfung zu verstehen. Die Ohren sind mit den Augen bedeutsames Sinnesorgane. Ohren und Augen unterstützen sich gegenseitig in unserem täglichen Leben. Unsere Gefühle und unser Gemüt sind stark vom Hören geprägt. Wenn ich ein gutes Wort höre, dann fühle ich mich gut. Wenn ich etwas Kritisches höre, dann regt mich es mich zum Nachdenken an. Höre ich Worte, die mich verletzen, dann werde ich traurig. Als Benediktinerin wusste Hildegard durch die Lehre des heiligen Benedikt von Nursia und durch die Botschaft des Evangeliums von der Bedeutung des Hörens für die Seele. Wer Ohren hat zum Hören, der höre! Schweigen und höre, neige deines Herzens Ohr und suche den Frieden! Schwiegen heißt hören, sagt der hl. Benedikt. In sich hinein Hören. Innerlich werden. Hildegard sagt, dass wir das Wissen haben um Gut und Böse zu hören und dann die Fähigkeit besitzen entsprechend zu handeln. Hinhören – Nachdenken – Handeln! Die Herzenstür dem Guten öffnen – dem Seelentor dem Bösen verschließen – vielleicht eine gute Übung für die letzten Tage der Fastenzeit.

Hildegard schreibt dem Monat März das Hören zu. Vielleicht ist uns der alte Ausspruch „Den Frühling hören“ bekannt. Da liegt ein Stück Wahrheit drin. Ich kann den Frühling hören. Allein das morgendliche Zwitscherkonzert der Vögel kündet mir den Frühling an. Ja, nach einem langen, kalten und oft grauen Winter freuen sich alle Menschen auf den Frühling. Sie genießen die ersten warmen Sonnenstrahlen und erfreuen sich am Gesang der Vögel, den ersten blühenden Blumen und dem zarten Grün der Bäume. Du kannst den Frühling mit allen Sinnen wahrnehmen, wenn du nach draußen gehst, und dich aufmerksam und hellhörig mit der frisch erwachten Natur beschäftigst. Möge es endlich richtig Frühling werden – meine Ohren freuen sich auf den Klang des neuen Lebens.

(Br. Benedikt Müller OSB)

 

Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen:

„In den Ohren wird der Schall aller nützlichen und unnützen Dinge gehört. Und durch diese wird der ganze leib in Bewegung versetzt. Auf ähnliche Weise hat auch die Seele eine Auseinandersetzung mit den Kräften der leiblichen Natur.“

Ich stelle mir Gott sehr kre-aktiv vor. Voller Schöpferkraft. Bildnerisch aktiv schaffend. Handwerklich und handfest. Wir Menschen brauchen neben guten Worten und zärtlichen Berührungen auch Bilder für unser innerliches Seelenauge. Bilder, die uns Hoffnung und Zuversicht schenken. Romantische Bilder aus vergangen Zeiten und Epochen. Heute in der Morgenhore zum Fest der Verkündigung des HERRN kam mir das Bild vom Webstuhl in den Sinn.

Webstühle gibt es seit Jahrtausenden. Die Industrialisierung hat sie den Menschen immer mehr aus den Händen genommen und in Fabriken verpflanzt. Hier und da gibt es sie noch als Handwebstühle oder im Kunsthandwerk oder aus- und aufgestellt in einem Museumsdorf. Im Kloster haben wir eine Weberei mit zwei großen Webstühlen aus Holz. Mit vielen Fäden. Ich bin immer wieder davon fasziniert mit welch großer und stiller Geduld unser Weber Br. Alexander dort die Fäden zieht.

Ich habe mir heute Morgen im Gebet Gott als Weber vorgestellt. Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir im Danklied des Königs Hiskijas: „Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben, du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch.“ (Jes. 38.12)

Die Arbeit eines Webers ist mühevoll und er braucht viel Geduld. Gott am Webstuhl, der die Fäden meins Lebens webt, finde ich ein starkes Bild. Gott schafft und wirkt mein Leben. Er macht sich mit mir Arbeit, nimmt sich dafür viel Zeit und legt Hand an mich. Er knüpft voller Geduld meine Lebensfäden zusammen. Mein Leben ein von Gott geschaffenes, buntes, durchwebtes Kunstwerk.

Gott lässt die Fäden meines Lebens durch seine Hände gleiten und in seinen Händen entsteht mein Lebensmuster. Mein Leben ist aus hellen und dunklen, aus rauen und sanften, aus frohen und trüben Lebensfäden gewebt. Erst am Ende meines Lebens, wenn Gott all meine Lebensfäden miteinander verknüpft hat, ist das Tuch meines Lebens vollendet entstanden. „Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben, du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch.“ (Jes. 38,12) Und dann? Dann kommt der heutige Festtag ins Spiel: Gott hat sich in Jesus Christus selbst als roter Faden der Liebe in unsere Welt und in unser Leben gewoben. An diesem Faden sind und werden all unsere Lebenstücher angeknüpft. Dann entsteht ein bunter Teppich der Ewigkeit. Mit jedem angeknüpften Lebensteppich immer wieder neu. Dieser Teppich wird niemals fertig, sondern er wird immer bunter. Eines Tages kann auch ich anknüpfen und bin ein Teil des Ganzen.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Wenn ich als Kind in den Ferien bei meiner Tante Wunderbar in Oberwinter am Rhein war, gab es diesen einen Raum, der eine magische Anziehung auf mich ausübte. Meine Cousins, die Bastler, verschwanden darin regelmäßig für einige Stunden und kamen dann immer mit irgendetwas Großartigem in der Hand wieder heraus. Dieser Raum war ein Bunkerraum neben dem Haus und hieß Räuberhöhle. Die Räuberhöhle war eine Werkstatt und bis unter die Decke vollgestopft mit ausrangiertem Kram, mit Dingen, die repariert werden mussten, mit großen und kleinen Metallstücken, verschiedensten Holzteilen und Schrauben sowie vielen Werkzeugen. Meine Cousins hatten dort immer etwas zu tun. Es wurde gelötet, geschraubt, gebastelt und geschaffen.

Das Bild der Werkstatt fasziniert mich, obwohl ich gar nicht handwerklich begabt bin. Es fasziniert mich so, dass ich mit oft im Gebet mir die Werkstatt Gottes vorstellen muss. Ja, Gott hat bestimmt eine Werkstatt – hier wird er schöpferisch und kre-aktiv tätig.

Gerne würde ich mich in die Werkstatt Gottes schleichen und ihm, wie einst meinem Vater oder meinen Cousins, über die Schulter schauen. In meinem Herzen spüre ich, dass Gott bestimmt voller Hingabe und Liebe  am Werk. Er werkt an seiner Werkbank mit Herz. Er klebt zerbrochenes. Er schraubt lockeres wieder fest. Er schmirgelt unebene Kanten sanft und samtweich. Schmutziges putzt er wieder sauber. Entzweite Kabel lötet er zusammen, damit die Energie wieder fließen kann. Grauen Alltag malt er bunt. Trocknende Scharniere des Lebensbaus ölt er wieder. Zersplitterte Augenfenster kittet er mit neuem Glas.

Das Bild der Werkstatt Gottes schenkt mir Hoffnung. Denn manchmal fühle ich mich selbst wie ein mehrfach übertünchtes, verdrecktes Stück Holz. Überall sind in mir Kerben, Risse und Löcher. Ich erkenne mich selbst nicht mehr – meine Lebensfarben sind übermalt. An manchen Punkten haftet viel und manche Stellen sind vernagelt. Das Leben hinterlässt Spuren. Das Leben kann den Regenbogen der Seele mit dem grauen Nebel der Melancholie verdrecken. Ich bin verzerrt und ausgenutzt und verletzt. Gott sei Dank gibt es dann einen Meister mit seiner Werkstatt, der meine Farben durch mein graues Ich scheinen sieht. Gott, mein Meister, der mich wieder liebevoll repariert und herstellt und dabei warm- und treuherzig ansieht, auch wenn er wegen mir Überstunden in seiner Werkstatt kloppen muss. Ohne ihn hätte ich mich schon oft selbst aussortiert oder weggeworfen. Gott schenkt mir Leben. Ich überlasse mich gerne seinen Händen. In seiner Werkstatt, weil er mich hinkriegt.

(Br. Benedikt Müller OSB)

 

Eine Töpferei ist eine sehr erdverbundene Werkstatt. Als Töpferei wird heute eine Technik zur Herstellung von Keramik genannt, bei der Gegenstände aus Ton oder Lehm geformt, getrocknet, dekoriert und gebrannt werden, wodurch die Endprodukte hart und teilweise wasserundurchlässig werden. Dabei handelt es sich um ein sehr altes Handwerk: Die frühesten europäischen Keramikfunde – gebrannte Tonfiguren – stammen aus dem Jungpaläolithikum. Sie wurden nach gängiger Vorstellung als Zufallsprodukt beim Lagerfeuer auf Lehm- oder Tonboden beobachtet. Die ersten Keramikfiguren sind über 24.000 Jahre alt. Der Töpfer arbeitet mit Ton. Ton ist ein natürlich vorkommendes, vorwiegend anorganisches Material, das hauptsächlich aus Tonmineralen besteht, bei ausreichenden Wassergehalten generell plastisch verformbar ist und spröde wird, wenn es getrocknet oder gebrannt wird.

Der Töpfer an der Drehscheibe, wie er den Ton bearbeitet. Dieses Bild erinnert mich an die Schöpfungsgeschichte. Es erinnert mich daran, wie Gottvater Ackerboden nahm, den Menschen formte, anhauchte, und Adam war geboren; Adam, hebräisch für: Mensch. Der Mensch, der von der Erde genommen wurde und einst auch wieder Erde wird. Der Prophet Jesaja bringt dies in seinen Visionen so wunderschön zum Ausdruck: „Doch nun, HERR, du bist unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.“ (Jesaja 64,8). Der Töpfer nimmt eine Hand voll Erde in seine Hände und scheinbar spielt er mit der Erde auf seiner Töpferscheibe. Es ist, als würde er das Schöpfungselement gleichsam bildnerisch umgestalten, so wie ein Künstler, der sieht: hier fehlt noch etwas, da stimmt die Farbe noch nicht; hier fehlt das Licht – hier schafft ich eine Rundung, dass eine Schale daraus wird. Die Fastenzeit lädt uns ein unsere innere Sehnsuchtsschale zu töpfern. Diese Schale können wir Gott hinhalten, dass er sie mit den guten Gaben unserer Talente füllt. Die heilige Gertrud von Helfta spricht von ihrer Sehnsucht nach Gott; sie sehnt sich danach, Gemeinschaft mit Gott zu erleben. Sie sieht sich selbst wie eine leere Schale. Sie bittet Gott darum, dass er sie sieht, sich ihr zuneigt, und ihre Sehnsucht mit seiner Gegenwart und Liebe erfüllen möge. Auch der hl. Bernhard von Clairvaux greift das Bild der Schale auf.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Aus den Visionen der hl. Gertrud von Helfta:

„Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht!

Worte des hl. Bernhard von Clairvaux:

„Wenn du weise bist, wirst du dich daher als Schale, nicht als Rohr erweisen. Das Rohr nimmt fast zur gleichen Zeit auf und ergießt wieder, was es aufgenommen hat; die Schale aber wartet, bis sie voll ist, und gibt so, was überfließt, ohne eigenen Verlust weiter.“ denn sie weiß, dass der verwünscht ist, der seinen Anteil mindert.“

Gebet des Töpfers von Taizé

Herr, mache mich zu einer Schale,

offen zum Nehmen,

offen zum Geben,

offen zum Beschenkt werden,

offen zum Bestohlen werden.

Herr, mache mich zu einer Schale für Dich,

aus der Du etwas nimmst,

in die Du etwas hineinlegen kannst.

Wirst Du bei mir etwas finden,

was Du nehmen könntest?

Bin ich wertvoll genug,

sodass Du in mich etwas hineinlegen wirst?

Herr, mache mich zu einer Schale

für meine Mitmenschen,

offen für die Liebe,

für das Schöne,

das sie verschenken wollen,

offen für ihre Sorgen und Nöte,

offen für ihre traurigen Augen

und ängstlichen Blicke,

die von mir etwas fordern.

Herr, mache mich zu einer Schale. Amen.