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Eine dicke, wachsartige Haut. Viele piksige Dornen. Riesige, flache Wurzelfelder.
So der Grundbau vieler Kakteen.

All dies wappnet die Meister der Überlebenskunst für ihren Alltag in der Wüste. Das essentielle Wasser kommt nur selten und prasselt dann ganz plötzlich auf die Erde, wo die großflächigen Wurzeln es auffangen. Die dicke Haut der Kakteen verhindert, dass es wieder verdunstet. Die Dornen schützen vor gierigen Wasserdieben. Alles ist perfekt abgestimmt auf das Überleben unter extremen Bedingungen.

Auch wir bewegen uns manchmal in Wüsten. Diesen Wüsten unseres Lebens können wir wie Kakteen begegnen. Wenn wir uns gut vorbereiten und zugleich auf den heilsamen Regen Gottes vertrauen, so werden wir auch gut gewappnet sein und erfolgreich durch die Wüstenzeit kommen. Vielleicht überstehen wir sie dann nicht nur, sondern meistern sie sogar – durch Vertrauen und Bereitsein.

„Astrein“ bedeutet im allgemeinen Verständnis „perfekt“. Denn Äste sind nicht immer erwünscht. Zu manchen Anlässen sollen sie möglichst fern sein. Ein „perfektes“ Holzbrett soll frei von Ästen sein – einfach ast-rein.

Doch dies entspricht selten der Realität. Was wäre denn ein Baum ohne Äste? Wo würden die vielen lebenswichtigen Blätter und Nadeln ihren Platz finden? Wie sähe ein Wald aus, in dem nur astreine Bäume ständen? Würdest Du gerne durch einen solchen Wald spazieren?

Ich nicht. Ein solcher Wald erinnert mich an ein zerbrechliches Gebilde aus Streichhölzern, angereiht wie Dominosteine in einer Monokultur. Wenn auch nur eines ins Wanken gerät, sind die anderen gleich mit in Gefahr. Ich würde mich kaum trauen, einen solchen Wald zu betreten. Zu groß das Risiko mit einem Fehltritt oder einem zu starken Atemzug gleich die ganze Welt um mich herum zu Fall zu bringen.

Wie wäre das mit den Menschen? Was wäre eine Gesellschaft, in der nur „astreine“ Menschen erwünscht sind? Wer legt denn überhaupt fest, wer „astrein“ ist und wer nicht?

So wie natürliche Wälder in intakten Ökosystemen viele verschiedene Bäume einschließen, so sollte auch eine Gemeinschaft in einer intakten Gesellschaft viele verschiedene Menschen einschließen.

Wären da überall nur dieselben „astreinen“ Bäume, wäre der Wald anfällig für jegliche Gefahren und das Ökosystem stände schnell nahe dem Kollaps. Erst durch die Vielfalt an Bäumen – mit Ästen und ohne, mit Nadeln und mit Blättern, hohe und niedrige, dicke und dünne… – können sich alle Bäume miteinander vereinen und keiner steht mehr allein. Sie sind gemeinsam stark!

Auch wir sind gemeinsam stark. Jeder Mensch ist von Gott auf einzigartige Weise erschaffen. Wenn jeder Mensch sich, so wie von Gott erschaffen, in die Gesellschaft einbringt und wir als Gesellschaft auch erkennen, dass dies erwünscht – ja sogar notwendig – ist, dann steht auch kein Mensch mehr allein, sondern wir alle stehen zusammen und halten uns gemeinsam.

„Astrein“ mag im allgemeinen Verständnis vielleicht „perfekt“ bedeuten, doch ist nicht eigentlich jeder Baum und jeder Mensch perfekt und gerade diese Vielfalt so wundervoll?

(Jacqueline Wolf – Teamerin der OASE)