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Der Jahreskreis hält uns Menschen immer wieder einen Spiegel vor: Den Spiegel für unseren Lebenskreis. Hildegard von Bingen setzt den Lebenskreis des Menschen in Bezug auf den Jahreskreis mit seinen zwölf Monaten. Dadurch schafft sie ein kre-aktives Bild für das innerliche Verständnis der Schöpfungswunder Gottes. Die Monate Juni bis August waren stark vom Reifen und Wachsen und herstellen geprägt. Das Jahr hat mit dem Beginn des Septembers schon eine Weile seine Lebensmitte überschritten. Mit dem September beginnt die Zeit der Reife in Garten und auf den Feldern. Erntezeit – Reifezeit! Nach unserer Lebensmitte sprechen wir von den Reifejahren im Hinblick auf unser Leben. In diesem Jahr werde ich noch meine 50. Lebensjahr vollenden. Ich bin dankbar für meine Lebenszeit und weiß auch, dass ich somit längst meine Lebensmitte überschritten habe: Ich persönlich freue mich auf meine Reifejahre. Ich möchte aber den Blick vom Lebenskreis zurück auf den Jahreskreis lenken. Der September ist also, laut der hl. Hildegard, der Ernte- und Reifemonate. Darum kann es nur gut auch persönlich mit dem Monatsbeginn seine Erntezeit für das Jahr 2022 zu beginnen. Eine Übung für die nächsten Wochen kann es sein, sich einmal selbst auf zwölf Karten aufzuschreiben, was in diesem Jahr gereift ist und was ich ernten möchte. Aber auch was ich nicht ernten möchte und was im Garten des Jahres zurückbleiben darf, damit es sich wieder wandelt.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen:

„Das erste Keimen eines gerechten Verlangens fliegt durch die Seele wie der Wind; der Geschmack des guten Willens spielt in ihr wie die Luft, und die Vollendung vollkommene der Werkle grünt in ihr wie die Grünheit der Welt, die zu weiterer Reifung wächst.“

Die symbolischen Bilder, die die Visionen der hl. Hildegard von Bingen durchziehen, sind stark und sprechen mich innerlich an. Hildegards Bilder sind bodenständig und ganzheitlich. Sie stehen so in einer klaren Tradition der benediktishcen Klosterspiritualität. Ist der Monat August ein launischer Fürst? In diesem Jahr wohl ehr ein hitziger Fürst! Vielleicht gönne ich mir in diesen heißen Tagen eine Zeit der Achtsamkeit und höre in mich hinein, um diesen Monat zu spüren. Wie geht es mir körperlich und seelisch? Auch wenn es in diesen Tagen noch nicht zu spüren ist: Dieser Sommer liegt im Sterben. Spüre ich bereits in den kleinen Zeichen der Natur sein baldiges Ende? Auch wenn die Hitze mich schweißtreibend ermattet, sollte ich nicht doch noch die Sommer.Welten genießen bevor es Herbst wird? Sonne tanken, Farben sammeln und Wörter für die kalten Wintertage suchen? Ich darf dankbar sein, dass trotz der Hitze die Felder bestellt waren und das Korn schon geerntet ist. Noch überwiegt das Grün in der Natur, auch wenn ausgedörrt ist, bald wird es sich wandeln. Gerade der Hauch von Kühle am frühen Morgen und späteren Abend, der für den nahenden Herbst steht, mahnt mich, die Fülle und Lebenskraft in Demut zu genießen. Der fürstliche August mit seiner schöpferischen Reifeprüfung in der Natur ist ein Bild dafür, dass wir uns auch des eigenen Gelingens bewusstwerden, denn Gott hat uns viele Talente geschenkt und im Laufe dieses Jahres durften wir sicher viel an Kre-Aktiven in uns aussäen und wachsen lassen. Bald ist die Zeit der Ernte. Unsere Talente (laut Hildegard Werke) haben sich entwickelt oder weiterentwickelt (laut Hildegard die Vollendung vollkommender Werke). Gott (Hildegard beschreibt Gott mit die Grünheit der Welt) schenkt unsere die Talente (laut Hildegard Reifung). Denn wenn etwas in der Natur wachsen und reifen soll, dann muss neben den schöpferischen Elementen – Wasser, Erde, Luft und Feuer – vor allem der Schöpfersegen drauf ruhen. Der August, der Monate der innerlichen und äußerlichen Reife.

(Br. Benedikt Müller OSB)

 

Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen:

„Das erste Keinem eines gerechten Verlang fliegt durch die Seel wie der Wind; der Geschmack des guten Willens spielt in ihr wie die Luft, und die Vollendung vollkommender Werke grünt in ihr, wie die Grünheit der Welt, die zu weiterer Reifung wächst.“