Astrid Lindgren: Niemals Gewalt & Wäre ich Gott
Im Grunde ihres Herzens glaubte sie wohl gar nicht daran, aber eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hat – die erste in seinem Leben. Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selbst nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: „Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.“ Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben, „meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein.“ Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: „Niemals Gewalt!“
Ihr fragt, warum ich das alles erzähle. Es sollte ja vom Frieden die Rede sein. Ich glaube, das tut es auch in gewisser Weise. Immer noch gibt es viele Mütter und Väter auf der Welt, die ihre Kinder schlagen. Sie glauben, das sei gut. Sie meinen, Kinder würden artig und gehorsam durch die Schläge. Aber stattdessen werden sie zu Kindern, die gerne selber andere schlagen. Und sie machen weiter damit, wenn sie groß sind. Denn wie sollte einer, der sich als Kind an die Gewalt gewöhnt hat, zu einem friedlichen Menschen heranwachsen? Und wie soll es Frieden geben in der Welt, wenn es keine friedfertigen Menschen gibt? Zu Hause, in den Wohnungen, da muss der Friede beginnen. Ich glaube, es wäre gut, wenn ein Stein überall auf der Welt in den Küchenregalen läge und ich kenne eine Menge Staatsmänner und Politiker, die einen solchen Stein auf dem Küchenregal haben sollten. Überall auf der Welt, als Erinnerung für uns alle: Niemals Gewalt!
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