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In ihrem ganzheitlichen Denken verbindet die hl. Hildegard beispielsweise die Sinne mit den Jahreszeiten. Im Frühling steht im Zeichen der Nase und des Geruchsinn. Der Tanz der Schöpfung beginnt wieder und die Welt blüht endlich wirklich auf. Aber sie blüht nicht nur auf, sondern sie duftet wieder. Es reicht! Nach was? Ein betörender Duft nach Leben gleich einem blumigen Parfüm durchzieht die Welt und dieser „air de vie“ will die Schmerzen mit seinem Aroma heilen. Es ist Gottes Schöpfungsduft!  Hildegards Bilder sind schon ein Wunder-Werk, so schreibt sie im „Liber vitae meitorum – Buch der Lebensverdienste: „Die Blumen mit ihren Blüten schenken anderen Blumen den Duft, ein Stein verleiht den andern Glanz, und jeder Teil der Schöpfung zeigt durch seinen Zusammenhang eine Art von liebender Umarmung. Ich aber bin in Luft und Tau und in aller Grünkraft ein äußerstes mildes Heilkraut. Mein Herz ist ganz erfüllt, jeder und jedem Hilfe anzubieten.“ Welch schöner Gedanke der Magistra vom Rhein – Gott offenbart sich Hildegard als Heilkraut. Heilkräuter heilen durch ihren Duft. Vielleicht ist es ja so, dass der Duft der Blumen und Kräuter, der jetzt im Frühling sehr intensiv ist, der Duft des Paradieses ist, den Gott uns Menschen schon jetzt auf Erden riechen lässt, damit wir voll Freude Leben mit der Hoffnung, dass Gott immer für uns da. Riechen wir das Paradies im Duft des Frühlings, denn die lebendige Grünkraft offenbart sich von Tag zu Tag in der Schöpfung.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen:

„Wer jähzornig ist, der nehme die Rose und weniger Salbei und zerreibe es zu Pulver. Und in jeder Stunde, wen der Zorn ihm aufsteigt, halte er es an seine Nase. Denn der Salbei tröstet, die Rose erfreut.“

 

 

Als ich gestern Nachmittag vom Spaziergang über den Schulhof in die Abteikirche gehen wollte, da hörte ich ein sehr vertrautes Geräusch. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht wieder. Es war nicht zu überhören: Unser Br. Sebastian mähte im Klostergarten den Rasen! Ein Zeichen, dass es endlich Frühling wird. Das frisch gemähte Gras verbreitet einen vertrauerten Frühlingsgeruch rund um das Kloster. Heute, nach dem Mittagessen, öffnete ich das Fenster meiner Klosterzelle und schaute auf den Klosterplatz. Was für eine herrliche Luft. Warme Frühlingsluft. Es roch nach Frühling.

Und tatsächlich: Überall fängt es an zu blühen und zu grünen. Das Grün bricht in diesem lebendigen Monat hervor. Der April ist ein lebensfroher Monat. Er lässt Natur, Tiere und Menschen wieder aufwachen – aufleben! Die Grünkraft ist zurück. Und das neue, frische Grün beruhigt die Seele. Die heilige Hildegard von Bingen rät Menschen, denen die Augen brennen oder die schlecht sehen, dass sie hinausgehen sollen und zwar auf eine grüne Wiese. Diese Wiese sollen sie solange anschauen, bis ihre Augen anfangen zu Tränen, also nass werden. Medizinisch ist das gar nicht verkehrt, denn wir wissen heute, dass das Grün den Augendruck erhöht.

Vielleicht ist das ja eine schöne Übung für die nächste Woche?: Nimm doch das neue Grün in der Natur mal bewusst mit deinen Augen wahrzunehmen und atme die Luft des Frühlings in die Tiefe deiner Seele ein.

(Br. Benedikt Müller OSB)

 Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen:

„Der vierte Monat ist grün und voller Duft, auch wenn er manchmal furchterregend donnert.“

Hildegard von Bingen war Benediktiner-Nonne. Von frühster Kindheit war ihr ganzes Leben durchkreuzt vom klösterlichen Rhythmus, den der Klang der Glocke und die Weisungen der Benediktsregel vorgaben. Ihr Leben war aber auch ein Leben ganz in Kreislauf der Jahreszeiten und der Natur. Ein ganzheitliche Leben, mit allen Sinnen, im Wechsel der Gezeiten. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass bei der weisen Magistra vom Rupertsberg die natürlichen Abläufe nie für sich allein dastehen. Sie haben immer einen Bezug zum geistigen und vor allem geistlichem Leben. Das geistliche Leben spiegelt sich in der Natur und umgekehrt. Mit ihren Visionen hält uns die Prophetia Teutonica sozusagen den Spiegel Gottes hin bzw. vor. Im Zentrum ihrer Schau steht immer wieder der Bezug auf die Grünkraft, die schöpferischen Lebens- und Spannkraft. „Diese Grünkraft erhält jeder Mensch bis ins hohe Alter, wenn er sich bemüht, seinem Gewissen zu folgen“, so Hildegard.

Hildegard setzt die Monate des Jahres ebenfalls in einen Bezug auf das Leben des Menschen. Der April steht für einen Menschen voller grüner Lebenskraft – den fast jungen Erwachsenen. Nicht mehr ein Jugendlicher, dennoch den Schelm im Nacken, noch nicht ganz Erwachsener. Die Stürme der Jugendzeit hat er hinter sich und kann auswählen, was für ihn gut und nützlich oder schlecht und schadhaft ist. Es ist der Anfang jener Zeit im Leben so wir verantwortlich selbst verantwortungsbewusst Verantwortung zu übernommen haben. Der April steht für einen fröhlichen, gesunden und tatkräftigen Menschen. Es sind die Lehr- und Wanderjahre im Leben oder mit einem alten Bild aus dem Handwerk ausgedrückt; Die Jahre der innerlichen Walz. Diese innerlichen Wanderjahre sind nicht nur von guten Zeiten geprägt – der junge Mensch macht auch seine Erfahrungen in den schlechten Zeiten. Erste Krisen können stärken. Beim Schreiben dieser Zeilen wachen in mir Erinnerungen an die Jahre 1989 /1990 auf – da war ich um die 17 Jahre… es waren zwei wunderbare, schöne Jahre, in denen ich mich selber definiert habe… zwei Jahre, die zur Grundsäule meines ICHs wurden und dennoch… Mit siebzehn hat man noch Träume! Zurück zu Hildegard. Zurück zu weisen Nonnen vom Binger Brück! Für Hildegard ist dies die Zeit, in der die Tugenden in der Seele des Menschen erblühen und diese Tugenden  sind für die heilige Kirchenlehrerin die großen Kräfte Gottes, die Freude und Kraft ins Leben bringen. Eine solche Tugend ist die Barmherzigkeit. Die guten Kräfte stärken uns im Kampf gegen die bösen Kräften, die an der Seele des Menschen ziehen. Besonderen Ausdruck findet dies in Hildegards Mysterienspiel ORDO VIRTUTUM. Es ist eine szenische Umsetzung ihrer Grundideen: die Himmelskräfte helfen der menschlichen Seele, umwerben sie und wollen sie zur Zusammenarbeit mit Gott gewinnen.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Aus dem ORDO VIRTUTUM in der Fassung von Bernward Konermann:

„Du hast alles, was du brauchst, in dir. Schau in dein Herz: Dort ruht das Wissen um Gut und Böse. In deinem Innersten klopfe ich an und rufe dich bei deinem heiligen Namen. Hör zu. Dass ich dir zu Hilfe eile, mit jedem Herzschlag klopfe ich an. Ort des Kampfes, Ort der Entscheidung bist du. Dein Vertrauen wird die Hilfe von mir erlangen. Eröffne den Kampf. Entscheide dich. Ich werde das Böse von dir nehmen. Und dir die Kraft zum Guten geben. Drehe das Rad deines Gewissens.“

(Hildegardis abatissa)

 

 

 

 

 

Der April macht was er will. Mal sanft – mal stürmisch. Mich erinnert er an meine jungen Erwachsenenjahre. Acht, was haben wir da emotional und engagiert diskutiert und manches Gewitter zwischen den Generationen bei Familienfesten heraufbeschwören. Gewitter können die Luft reinigen. Gewitter können aber auch gefährlich sein. Der April, der macht, was er will!

Die heilige Hildegard von Bingen beschreibt den Vormonat des Aprils den März als Unruhestifter und zieht Parallelen zur Pubertät des Menschen. Und wie sieht die große Meisterin vom Rhein den April? Was den April angeht, da mahnt die heilige Hildegard zur Achtsamkeit! Der April macht, was er will. Und diese Laune des Aprils vergleicht Hildegard mit den Schwierigkeiten der Menschen im Miteinander. Sie schriebt: „Wie der Monat April mal mit Hagel, mal mit Sturm, dann mit Regen und mit Schneegestöber und plötzlich blauem Himmel und Sonnenschein aufwartet, geht es hin und wieder auch in unserem Inneren hoch her.“ Hildegard ermahnt uns, sich von den inneren Gewittern der Gefühle nicht anstecken und zu einem Frühlingsgewitter der Emotionen hinreißen zu lasen.

Ja, der April macht, was er will. Regen, Nebel, dann Hagel oder gar Schnee und dann wieder Sonne und Wärme, manchmal sogar fast sommerlich warm!  Am nächsten Tag stürmt es dann wie im Herbst. Und dann dieses Gewitter wie aus heiterem Himmel. Aber so ist das Leben. Das Leben ist ein hin und her – ständig im Bewegung und im Wechsel. Das Leben ausgelieferte den Kräften der Elemente: dem Wasser, der Luft, dem Feuer und der Erde. Ja, und wie die heilige Hildegard von Bingen, wissen wir auch, dass es in unseren menschlichen Beziehungen oft wie im April zu geht. Aber wie geht man mit solchen emotionalen Gewittern um? Mit den Übungen der Achtsamkeit. Hildegard würde heute es vielleicht so ausdrücken: Je achtsamer du in deinem Alltag bist, so achtsamer bist du auch mit anderen. Dann können erst gar keine Gewitter der Emotionen entstehen. Der Boden der Achtsamkeit und Wertschätzung lässt die Grünkraft in uns sprießen. Die Gewitter des Monats April sind zwar manchmal echt schon heftig, aber sie hindern die Früchte der Erde nicht am Wachstum und an der Reife. Genauso können uns andere Menschen, die uns wie ein Gewitter im April heimsuchen, unsere Lebenskraft nicht völlig wegspülen -, wenn wir unser inneres Haus auf Fels und nicht auf Sand gebaut haben. Gewitter können die Luft reinigen. Gewitter können aber auch gefährlich sein. Wichtig ist, dass wir einen Blitzableiter haben. Vielleicht unseren Atem! Wenn wir versuchen in emotionalen Situationen achtsam ein und aus zu atmen, dann können wir in Krisensituationen über die Atmung eine Distanz bekommen, die ein impulsives Zurückreagieren, also eine Gegengewitter, verhindert. Gewitter können die Luft reinigen. Gewitter können gefährlich sein. Wichtig ist, dass wir einen Blitzableiter. Die Karwoche stellt uns einen Blitzableiter vor Augen: Christus. Mir persönlich hilft es in Krisensituation tief einzuatmen und zu sprechen JESUS und dann tief auszuatmen und zu sprechen CHRISTUS. ER ist dann bei mir und das aufkommenden Gegengewitter in meinem Herzen wird still, wie einst der See wo ER den Sturm stillte.

(Br. Benedikt Müller OSB)

Aus den Visionen der hl. Hildegard von Bingen: Der April reinigt die Atmosphäre

„Dieser Monat erschallt nämlich mit Gefahr und Furcht und dennoch trocknet er die Früchte der Erde nicht aus. Ebenso vertrocknen auch die Kräfte und Tugenden eines seligen Menschen durch die zuvor genannten Übel nicht, vielmehr ermatten diejenigen, die ihre Zähne gegen ihn fletschen.“

(aus: „Liber divinorum operum – Buch der göttlichen Werke “)

April, April, der macht was er will… Im April scheint es, als würden die Jahreszeiten wild durcheinander gewürfelt werden. Ein großes Würfelspiel des Schöpfers mit seiner Schöpfung.  Überall sprießt das erste Grün. Und Grün ist die Farbe des Lebens. Hildegard von Bingen schreibt in ihren Texten von „Viriditas“, der Grünkraft, der Lebenskraft, die alles durchzieht. Hagel, Schnee, dann wieder fast sommerlich warm und am nächsten Tag stürmt es wie im Herbst. So ist der April! Und plötzlich noch Gewitter wie aus heiterem Himmel. Doch so ist das Leben, auch in unseren Beziehungen geht es oft zu wie im April. Hildegard von Bingen weist deutlich darauf hin, dass diese Wolkenbrüche den Früchten der Erde nichts anhaben können. Je achtsamer wir erkennen, desto furchtloser begegnen wir zwischenmenschlichen Gewittern. Auch Blitze und Donner in unserem Inneren können uns wenig anhaben. Wir lernen innere Blitzableiter nutzen, umso impulsives Reagieren vermeiden. Gehen wir jetzt im April hinaus in die Natur, dann sollten wir die Schöpfung achtsam wahrnehmen. Das süßliche Aroma erster Apfelblüten, den Duft von Hyazinthen und Narzissen. Es riecht nach Frühling. Vielleicht erspüren wir dann eine tiefe Dankbarkeit in uns. Freude an der Natur und Demut angesichts der vielen Schöpfungsgaben, die uns jedes Jahr von neuem so reich beschenkt, erfüllen unser Herz. Achtsamkeit zeigt uns, wie wir das Gute und Schöne wahrnehmen können. Entsprechend werden wir auch mehr Freude und Liebe verbreiten. (Br. Benedikt Müller OSB)