Der Webrahmen ist ein Hilfsmittel, ein Instrument, das mir bei der Ausführung kreativer und produktiver Tätigkeit gute Dienste leistet.
Der Rahmen gibt mir Spielraum, er begrenzt aber auch mein Handeln.
Ein Verfasser ist gut beraten in der Einleitung seiner Hausarbeit zu schreiben: Ich beschränke mich auf diesen Aspekt, weil die Bearbeitung weiterer Gesichtspunkte den Rahmen sprengen würde.
„Schreib nicht über den Rand! Mal nicht über den Rahmen!“ Wer kann sich nicht an diese Worte aus der Kindheit erinnern? Bleib bei dem, was dir zugedacht ist. Bescheide dich. Nimm dir nicht mehr Platz, als dir zusteht! Ordnung ist das halbe Leben.
Weben heißt mit verschiedenen Garnen und Materialien eine textile Fläche schaffen. Dabei gibt es mindestens zwei gespannte Fadenrichtungen: Den Kettfaden und den Schussfaden, der rechtwinklig mit dem Kettfaden verkreuzt wird.
So können wahre Kunstwerke entstehen: Teppiche, Wandbehänge, Decken, Tischsets und vieles mehr. Die Kombination der Farben, das Entwerfen der Muster, die Anwendung verschiedener Techniken erfordern Kreativität und Geschicklichkeit. Darüber hinaus sind Geduld und Ausdauer, Konzentration und Abstraktionsvermögen, Kraft und Koordinationsvermögen, Vorstellungskraft und Zielbewusstsein gefragt und natürlich Freude am Umgang mit dem Naturmaterial und Vorfreude auf das fertige Produkt. Alles Fertigkeiten und Fähigkeiten, die wir auf unser Leben übertragen können.
Wir halten viele unterschiedliche Lebensfäden in der Hand. Nicht immer wissen wir gleich, wie sie in unser Lebensbild passen. Aber sie gehören dazu. Sie machen unser Leben aus und machen es einzigartig und unverwechselbar. Wir kombinieren Farben und Muster, wir unterbrechen den Faden oder nehmen ihn wieder auf.
So gestalten wir unser Leben. So erleben wir unser Leben in Zusammenhängen, so erfahren wir uns als Person, identisch mit uns selbst.
Ich äußere mich an dieser Stelle nicht zu Assoziationen zum Internet. Das englische Wort Web in World Wide Web lädt eigentlich dazu ein. Doch das würde den Rahmen sprengen.
(Bernhard Hoppe)