Eben noch waren seine Augen verbunden. Eine Augenbinde hat sie abgedeckt oder verdeckt. Nun liegt die Augenbinde neben ihn im Sand der Straße. Mit weit aufgerissenen Augen steht er da und staunt nur so über das, was er da sieht. Der Künstler Kees de Kort hat in seiner Kinderbibel aus der Reihe „As die Bibel uns erzählt“ diesen Menschen, der wiedersehen kann, gemalt. Viele, die wie ich mit seiner Kinderbibel groß geworden sind, werden dieses Bild vor Augen haben, wenn sie diese Geschichte hören. Der Evangelist Markus nennt den Namen des Blinden: „Bartimäus und es bedeutet lediglich Bar = Sohn / ti = des / Mäus / Matthäus“. Staunend steht er da. So muss es sein, wenn dieser sehnliche Wunsch erfüllt ist: „Herr, dass ich sehen kann.“

Vom Sehen, Sehen können und wieder Sehen können, erzählt diese Geschichte. Auch vom Sehen in einem tieferen Sinn. Davon, etwas zu begreifen, zu erfassen, die Dinge neu zu sehen und dadurch zu verstehen. „Mir sind die Augen aufgegangen“, sagen wir, wenn wir etwas gesehen und verstanden haben. Dann kann ich viel besser mit etwas umgehen, wenn ich weiß, warum etwas so ist und nicht anders. Und doch muss ich damit leben, dass ich manches nicht verstehen kann, dass es mir und meinen Augen verborgen bleibt, warum es so ist.

(Br. Benedikt Müller OSB – Koordinator „Jugend & Bildung“)

Sparschweine sind seit dem Mittelalter bekannt – der älteste Fund reicht zurück bis ins 13. Jahrhundert und stammt aus Billeben in Thüringen. In der bäuerlich geprägten Gesellschaft des Mittelalters spielte das Schwein eine wichtige und positive Rolle: Es galt als intelligent und war ein Symbol der Fruchtbarkeit, Nützlichkeit und Genügsamkeit. Ein Schwein zu besitzen, war ein Glücksfall für die mittelalterliche Bauersfamilie. Ein Umstand, der sich noch heute in dem verbreiteten Ausspruch „Schwein gehabt!“ wiederfindet. Als ein Symboltier des Glücks wurde das Schwein daher auch mit dem Besitz von Geld assoziiert. Nichts lag näher, als dem Gefäß zur Verwahrung der eigenen Ersparnisse die Form des Schweins zu geben, das Wohlstand, Sicherheit und Glück repräsentierte. Das später bei Kindern beliebte Sparschwein erfüllte zudem eine pädagogische Aufgabe: Wie ein echtes Schwein mit Futter, so muss das Sparschwein mit Münzen gefüttert werden und darf erst geschlachtet werden, wenn die Zeit reif ist.

Sollte euer Sparschwein also nicht randvoll sein, nicht verzagen, Glück bringt es euch trotzdem!

(Kjell-Bo Kelsner – Erzieher in der OASE)

Briefe bezeugen die eigene Gefühlswelt. Sie sind besonders. Briefe übermitteln alles. Glück, Leid, Freude, Trauer, Enttäuschung, Existenzangst. Das macht sie auf gewisse Weise menschlich. Sie können persönlich sein oder ganz oberflächlich. Von Menschen oder Maschinen geschrieben. Briefe sind Zeugnisse der Zeit. Sie können im Briefwechsel die Lebensphasen eines Menschen widerspiegeln. Sie decken Gefühlswelten auf. Sie können Beziehungen zerstören, weiterentwickeln oder bezeugen. Sie entscheiden über die Gegenwart, die Zukunft und die Wahrnehmung der Vergangenheit.  Briefe geben uns Aufschluss über unsere Taten. Sie können unser Denken beeinflussen. Briefe können Bekenntnisse sein.

Briefe bedeuten mir die Welt, weil sie mir diese Welt erklären. Sie können mir die Vielfalt des Lebens zeigen. Jedes gewählte Wort ist auf gewisse Art einzigartig. Weil es von uns kommt. Weil wir es aus unserem persönlichen Wortschatz ausgewählt haben und mit diesen Worten unglaubliches ausdrücken können. Wir leben die Sprache und geben sie weiter. Wir drücken uns aus. Dieser Umstand macht Briefe zu wertvollen Relikten der menschlichen Welt. Wir haben das Briefe schreiben weiterentwickelt wie viele andere Facetten unseres Lebens auch.

Briefe bedeuten mir die Welt. Ich liebe sie. Jeden einzelnen von ihnen. Sie drücken unsere Persönlichkeit, unsere Beziehungen zu Menschen aus. Wenn ich einen Brief schreibe, dann mache ich das ganz bewusst. Ich nehme mir das Papier, nehme mir die Zeit. Es ist meine Zeit und ich setze sie dafür ein, in einem anderen Menschen etwas innerliches zu bewegen, im besten Fall, um diesem Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, weil ich ihn liebe, weil ich diesen Menschen in meinem Herzen trage. Ganz plötzlich und vielleicht sogar ganz unverhofft. Ich nehme mir die Tinte. Entweder sie fließt aus der Feder meines Füllers oder der Patrone meines Druckers, vielleicht aber auch vom Tintenband meiner Schreibmaschine. Ich liebe Schreibmaschinen. Das ist eine andere Geschichte.

Wir leben, also drücken wir uns aus. Wir lieben, darum leben wir.

Dieser Text ist am Ende vielleicht eine kleine Liebeserklärung an ein unscheinbares Stückchen Papier. Hergestellt aus den Fasern unserer Schöpfung. Mit Liebe ausgewählt. Vielleicht kann dieser Text dann aber auch viel mehr sein als das. Dann sind meine Worte eine Liebeserklärung an den Ausdruck der menschlichen Gefühlswelt und Einzigartigkeit. Und im Grunde, wenn ich diesen Text ausdrucke, dann kann er selbst zum Brief werden. Dann wird dieser Text durch die Welt geschickt. Vielleicht sogar in Form eines digitalen Links. Wir haben das Briefe schreiben weiterentwickelt wie die anderen Facetten unseres Lebens auch. Der Wert des geschriebenen Worts wird dabei niemals verloren gehen. Wie groß dieser Wert ist und ob er sich auszeichnen kann, das liegt allein an uns. Das liegt an unserer Auffassung des Lebens, an der Auffassung unseres Ausdrucks der Liebe, dem Ausdruck unserer Menschlichkeit.

„Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.“

Aus dem ersten Brief des Johannes (1 Johannes 4, 7 ff.)

Helena Minner, Jahrespraktikantin

Zeit bestimmt unser Leben, – unser Leben ist durchgetaktet.

Das Metronom gibt den Takt vor.

Menschen, die ein Instrument gelernt haben, werden auch noch das Tacken des Metronoms im Ohr haben.

Mit dem Takt bestimmt man die Geschwindigkeit in der Musik. Doch auch ein Mensch kann sich nach einem Takt verhalten.

Taktgefühl beweisen, taktlos sein oder taktiert werden.

Durch das Verschieben des Gewichtes beweget sich das Metronom dementsprechend schnell oder langsam. Mal Allegro, – mal Largo.

Ähnlich zu vergleichen ist es mit dem Leben. Manchmal geht das Leben schnell an uns vorbei und wird hektisch. An anderen Tagen fühlt es sich langsam an und wirkt ruhiger.

Doch zu einem bestimmten Zeitpunkt kommen wir alle auf eine Geschwindigkeit.

Wir alle haben ein gemeinsames Metronom. Zu bestimmten Stunden ruft es uns und lädt ein zum Gebet in der Kirche.

Gott lädt uns ein und gibt das Tempo vor.

Jenni Auerswald, Praktikantin

Der spielende Mensch und der spielende Gott. Seit Kindertagen spielen wir. Spielend entdecken wir die Welt. Und wenn wir ein spielendes Kind beobachten, so kommen wir ins Staunen und Erinnern. Wie gedankenverloren und doch mit großem Ernst das Kind sich in einer eigenen Welt bewegt. Immer wieder jedoch blickt es auf, um sich zu vergewissern: Ist seine Welt des Spiels noch in der Welt seiner Umgebung verankert?

Manchmal wünsche ich mir, völlig gelöst von Pandemie und Krieg und all unseren Sorgen und Kümmernissen und Gedanken in diese ganz andere Welt einzutauchen. Zurückzukehren in die Welt des Spielens, nur so, aus sich selbst heraus.

Wie im Spiel erschafft Gott unsere Welt und uns Menschen. Er tut dies aus sich heraus, ohne Kalkül und Absicht. Der Gedanke, ob er die Welt und uns Menschen brauchen könnte, ist ihm fremd. Und doch nimmt er uns ernst. Wie im Spiel eines Kindes sind wir seine Spielpartner, mit denen er auf Augenhöhe spricht. Für Gott sind wir keine schwarzweißen Schachfiguren zum Hin- und Herschieben auf dem Spielfeld der Welt. Für Gott sind wir kein Spielzeug, das man nach Gebrauch in die Ecke wirft. Für Gott sind wir bunte Spielzeugkegel, die vergnügend durch sein Spiel des Lebens und der Liebe hüpfen und Farbe in die Welt bringen. Jeder Spielstein kostbar und schön und wertvoll. Wir dürfen uns in Gott geborgen fühlen, weil wir aus seiner Hand erschaffen wurden.

(Br. Benedikt Müller – Koordinator für „Jugend & Bildung“).

 

Eines Nachts hatte ich einen Traum. Ich saß im kleinen Heilig Geist Kirchlein oben im Ahrntal in den Südtiroler Bergen. Das Kreuz des HERRN mit den drei Einschusslöchern sah ich deutlich vor mir. Darunter lag auf dem Boden ein Haufen Scherben. Mir war klar, dass diese Scherben vorher Gefäße waren, die nun zerbrochen sind. Dieser Haufen zeugte von Zerstörung. Im Anblick dieses Trümmerfelds überkam mich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Dann aber sah ich aber auf wundersame Art und Weise vor meinem inneren Auge wie aus zerbrochenen Stücken wieder ein Krug geformt wurde. Wie ein Puzzle wurden die Teile zusammengefügt. So stand in diesem inneren Bild nun ein Krug aus Scherbenteilen unter dem Kreuz des HERRN vor mir. „So stelle ich zerbrochene Gefäße wieder her!“, vernahm ich in meinem Innern und mir wurde bewusst, dass Gott ist ein Gott der Wiederherstellung und den gebrochenen Menschen wieder zusammenfügt und herrichtet.

Ich schaute mir den Krug an und sah, dass die Bruchspuren noch deutlich sichtbar waren. „HERR, warum sehe ich noch diese Bruchspuren? Warum stellst du nicht vollkommen wieder her?“, fragte ich mit inneren Stimme im Herzen den HERRN.

Es blieb still. Aber: Dann sah ich wie dieser Krug, an dem die Spuren der Zerstörung noch sichtbar waren, mit einem hellen Licht erfüllt wurde. Das Schöne dabei war, dass gerade durch die sichtbaren Bruchspuren das Licht aus dem Krug heraus hell und warm zu leuchten begann. Es war ein helles und warmes Licht, das innere Geborgenheit vermittelte. Da verstand ich: Gott heilt durch seine Liebe die Brüche in unserem Leben. Die Liebe Gottes ist so zu sagen der Leim, der die Bruchstücke des gebrochenen Gefäßes wieder zu einem Ganzen zusammenfügt und so das unbrauchbare Gefäß wiederherstellt. Denn hierdurch wird mir deutlich, was allein Gottes Liebe vermag: „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ (Ps 147,3)

(nach einer Legende frei und neu nacherzählt von Br. Benedikt Müller OSB – Koordinator für „Jugend & Bildung)

Eine italienische Legende erzählt von dem alt gewordenen Clown Giovanni, der auf dem Weg in seine Heimatstadt in einer Klosterkirche Schutz vor Wind und Regen suchte. Er war müde und legt sich in eine der Kirchenbänke und schlief ein. Plötzliche weckte ihn Musik auf. Die Kirche glänzte im Kerzenlicht und war voller Menschen, die GLORIA IN EXCELSIS sangen. Der alte Clown Giovanni konnte kaum seinen Augen trauen. So viel Pracht. Eine lange Reihe von Mönchen, Nonnen und Menschen aus der Stadt schlängelte sich durch die Kirche.  Jeder hatte ein kostbares Geschenk bei sich, das er vor einem Bild niederlegte – dem Bild einer Frau mit ihrem Kind.  »Was geht hier vor? «, fragte Giovanni eine Frau, die dicht neben ihm stand. »Nun, alter Mann, heute ist der Geburtstag des heiligen Kindleins«, antwortete die Frau. »Und in der Prozession bringt ihm jeder seine Geschenke.«

Überrascht schaute Giovanni zu, bis die Prozession beendet war. Alle Leute verließen wieder die Kirche, und es wurde dunkel, nur nicht beim Bild der Frau mit dem Kind, denn das war umringt von brennenden Kerzen. Giovanni ging näher heran. Das Kind auf dem Schoß der Frau sah so ernst und streng aus. »Oh«, sagte Giovanni, »ich wollte, ich hätte auch etwas, was ich dir geben könnte. Dein Kind sieht so betrübt aus, trotz all dieser schönen Geschenke. Doch warte, früher brachte ich die Leute immer zum Lachen.« Giovanni öffnete den Sack, den er bei sich hatte, und holte sein altes Kostüm heraus. Dann malte er sich die Clownsmaske, rollte den Teppich aus und begann zu jonglieren. Erst die Stöcke. Dann die Teller. Dann ließ er die Teller auf den Stöcken drehen. Und dann jonglierte er mit den Keulen und den Ringen. Bruder Pförtner, der gerade die Türen der Kirche schließen wollte, sah Giovanni jonglieren. Er rannte davon, um den Abt zu holen. Aber davon merkte Giovanni nichts. »Und nun«, sagte Giovanni lachend zu dem Kind, »erst der rote Ball, dann der orangefarbene, dann der gelbe und der grüne, der blaue und der violette.« Giovanni wirbelte die Bälle immer höher und schneller durcheinander, bis sie wie ein Regenbogen aussahen. »Und jetzt«, rief Giovanni, »die Sonne an den Himmel!«

Der goldene Ball drehte und drehte sich höher und höher. Giovanni hatte in seinem ganzen Leben noch nie so gut jongliert. Höher und schneller, schneller und schneller. Die Farben tanzten durch die Luft. Es war ein prächtiges Bild. Giovannis Herz pochte. »Für dich, liebes Kind, für dich!«, rief er. Plötzlich hörte sein altes Herz zu schlagen auf. Giovanni sank tot zu

Boden. Der Abt und der Bruder Portier kamen herein. Der Abt beugte sich über den alten Mann und sagte: »Ach, der alte Clown ist tot. Möge seine Seele ruhen in Frieden!«

Aber Bruder Pförtner wich zurück und starrte mit offenem Mund auf das Bild der Frau mit dem Kind. »Seht nur« rief er und deutete mit der Hand darauf, »Seht nur!« Das Kind lächelte, und in seiner Hand hielt es den goldenen Ball.

 

(Verfasser unbekannt – eingereicht von Br. Benedikt Müller OSB)

 

Woran denkst du, wenn du das Wort „Vulkan“ hörst?

Verbindest du etwas Positives oder etwas Negatives damit?

An einen großen Berg?

An Lava?

An ein bestimmtes Land?

An einen Ausbruch?

An Feuer oder eine Feuersäule?

Im 02. Buch Mose steht geschrieben: „und der Herr zog vor ihnen her, am Tag in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und bei Nacht ziehen konnten.“

Mit jedem Ausbruch – mit jeder Verbreitung – wird auch etwas Positives bewirkt. So wie ein Vulkan ausbricht, Magma aufsteigt und Lava über die Erde verteilt wird – kann hieraus wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden. Und es entstehen fruchtbarerer Boden, wertvolle Baustoffe und Wärme/ Energiequellen. So wie Gottes Wort in die Welt getragen und verbreitet wird entsteht GLAUBE, HOFFNUNG und KRAFT! Gerade in der heutigen Zeit gibt uns dieser Gedanke die Zuversicht auf eine bessere Zukunft.

(Saskia Broermann, Praktikantin)

Spur

Es ist so einfach – seinen Gewohnheiten nachzugehen. Manchmal merkst du gar nicht, wie du etwas machst, weil du es schon immer so machst.

Es ist so bequem – in seiner Komfortzone zu verharren. Manchmal merkst du gar nicht, dass da draußen etwas anderes auf dich wartet, weil du nichts erwartest.

Es ist so praktisch – wenn sich dein Umfeld nicht ändert. Manchmal merkst du gar nicht, dass du eine große Chance verpasst, weil du ihr nicht begegnet bist.

Was erwartest du? Was erwartet dich, wenn du einen anderen Weg gehst?

Es ist deine Wahl. Nur eine kleine Veränderung und Du kannst Chancen erkennen, Dein Ziel erreichen, eine Spur hinterlassen, ein Vorbild sein.

(Anke Kemper, Mitglied im Beirat der Jungen Akademie / Oberstufenakademie)

Besonders mein Opa hat immer mit mir gespielt. Immer. Zu spielen hat mich wahrscheinlich zu der gemacht, die ich heute bin. Was habe ich gespielt, meine gesamte Kindheit lang. Ich habe eine ganz besondere Erinnerung an meine Spielzimmer, an mein Kinderzimmer, wie ich dort gelebt habe. Es gibt Fotos von mir in diesem Zimmer, das so sehr ICH bin wie kaum etwas anderes auf dieser Welt. Ich verkleidet unter meinem Hochbett, ich als Harry Potter Verschnitt, ich inmitten von Milliarden kleinen LEGO Steinen, ich inmitten einer selbst inszenierten Playmobil Stadt, die ich stolz und noch heute frage ich mich warum, „Schellenberg“ nannte. Warum bitte dieser extrem kreative Name? Schellenberg? Im Ernst?! Warum nicht Utopia, New Helli, Helli City, Futura, was auch immer… Wie man Städte eben nennt, wenn man glaubt größenwahnsinnig Fantasie zu leben. Aber nein, meine Stadt hieß eben Schellenberg, Sie beinhaltete einen Zoo, eine Schule, eine afrikanische Safari Station, einen Flughafen, der nur aus einem Flugzeug bestand, weil ich den richtigen Flughafen nie besaß, einen Kindergarten, eine mittelalterliche Burg, meinen heiß und über alles geliebten Pferdehof, einen Zirkus ohne Zirkuszelt, die Arche Noah, ein Piratenschiff, eine Buslinie, einen Cowboy Bezirk, vereinzelte Geschäfte und Marktstätte und ein einziges Haus, das aus einem alten Puppenhaus bestand. Wo die anderen Menschen gelebt haben, kann ich schlichtweg nicht sagen, sie sind einfach 24/7 in der Stadt herumgelaufen, ohne jemals zu Hause anzukommen. Rastlos sozusagen. Sie hustleten in Schellenberg umher. Ich habe diese Stadt geliebt. Ich habe die Menschen geliebt, die sie füllten, ich hatte meine Lieblingsfiguren, die in Schellenberg ein Leben führen konnten, das ich mir vorstellte. Ich konnte jede Rolle übernehmen. Die vom Busfahrer, die von der Lehrerin, die der Tierpflegerin, die des Tierpflegers, die des Zirkusdirektors, die des Clowns, die der Akrobatin, die des Bankräubers, die des Kindergärtners, die der Eltern, ich konnte Ritter sein und Burgfräuleins retten oder in die Freiheit reiten. Ich war Cowboy im Western Bezirk Schellenbergs, erschuf Realitäten, die eine normale Stadt mit diesem langweiligen Namen wahrscheinlich nie erleben würde. Schellenberg klingt jetzt nicht nach place to be und Nabel der Welt. WELCOME TO FABULOUS SCHELLENBERG – nee.. In meinem Kopf aber alles möglich. Ich als Siegerin meiner Gedanken. Eine Stadt des Friedens, ohne Konflikte, wenn, dann hatten sie maximal Schulhofcharakter und wenn es dann mal böse Menschen gab, wurden sie von meinen Polizei Figuren keck geschnappt, bekehrten sich und wurden wieder zu guten Menschen, engagierten sich im Zoo und verkauften Eis an die Kinder. So einfach ging das. Da kam wohl mein Bedürfnis nach Harmonie und einer funktionierenden sozialen, engagierten, friedvollen, offenen, diversen Gesellschaft heraus.

Und heute? Heute spiele ich nicht mehr. Ich spiele nicht mehr mit diesen Figuren, Schellenberg ist eine Art Atlantis meiner Kindheit, liegt am Grund meiner Fantasie. Existiert es noch? Ich weiß es nicht. Wie war das früher? Ich ging nach hause und spielte. Spielte alleine oder mit Opa Lu oder Hannah oder Nele oder Paul oder Lars oder Marie oder Papa oder Marcella oder Frederic oder Theresa oder Justus oder Carina. Dann hörte ich auf.

Zu spielen gehörte nicht mehr zu meinem Leben. Das sollte plötzlich vorbei sein einfach so. Spielzeug verschwand in den großen Kisten, wurde nicht mehr angerührt. Kindheit feierlich begraben.

Ich habe eine Lebensrealität verlassen, die ich so nie wieder erleben werde. Mittlerweile übernehme ich Verantwortung, ich habe einen Plan, lebe eine andere Art des Lebens. Aber schließt das meine Fantasie aus? Nein, ganz im Gegenteil. Vielleicht hat dieses Spielen meine Fantasie erst entwickelt. Vielleicht ist sie der Grund, warum ich heute so gerne mit Sprache spiele. Vielleicht hat sie einen Grundriss erbaut, den ich heute individuell weiterbaue. Und vielleicht ist das eine wichtige Erkenntnis. Warum sollte ich aufhören Kind zu sein? Warum sollte ich aufhören mir in meinem Gedankenpalast Städte zu bauen, die Menschen vereinen? Vielleicht bin ich heute in der Lage genau das Realität werden zu lassen. Durch mein Handeln, durch meine Visionen. Wenn ich es als Kinder erträumen konnte, warum sollte ich es einfach so fallen lassen? Warum nicht in der heutigen Welt genau die Werte verinnerlichen, die es mir ermöglichten zu träumen und wahre Utopien zu erschaffen? Was ist dieser Wert, der mich so handeln ließ? Es war der Wert der Liebe. Liebe an die Menschen. Liebe an die Welt.

„Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber am stärksten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Korinther 13, 11ff.)

(Helena Minner, Jahrespraktikantin)