Fasten.Impuls „Tasse“

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Ein Bekenntnis meinerseits: Ich bin leidenschaftliche Tassensammlerin. Schon immer gewesen. Was gibt es schließlich schöneres, als seine Leidenschaften mit einem Stück Keramik auszudrücken? Was gibt es schöneres, als mit einem neuen Tassenkauf nach hause zu kommen und vor lauter anderer Tassen nicht wissend wohin mit diesem neuen Stück? Tassen drücken eine Phase des Lebens aus. Welche Tasse ist mir wichtig? Warum kaufe ich sie? Weil sie Geschichten erzählen.

Ich behaupte, ich kann über jede Tasse eine Geschichte erzählen. Wo ich sie stolz ersteigert habe, warum und wann. Was ich aus ihr getrunken habe? Was aus ihr am besten schmeckt. Kakao mit kleinen Klümpchen, heiß oder kalt, mit oder ohne Mini Marshmallows, Tee, loose oder im Beutel, süß, erfinderisch, ganz neu, experimentierfreudig, Bio-Tee, Tee aus dem Discounter, Tee, den ich als Kind getrunken habe, Tee, den ich erst später in meinem Leben für mich entdeckt habe – Kaffee. Der aus dem Eine Welt Laden, der besondere, den, den es nur bei meinem Onkel gibt. Der schwarze Kaffee, der, der nur aus kleinen Bröseln besteht, der so flüssig ist, dass man ihn meiner Meinung nach nicht Kaffee nennen kann. Der Tee, den man trinkt, weil man eine Auszeit braucht. Der Tee, der uns an Weihnachten erinnert. Der Tee, den uns unsere Großeltern gekocht haben, wenn wir krank waren. Der Tee, den ich mit dir getrunken habe, als wir uns zum ersten Mal trafen. Der Kaffee, den ich plötzlich anfing zu trinken, um mich ein kleines bisschen erwachsen zu fühlen. Der Kaffee früh nachts von der Tankstelle mit dir, als wir in die Freiheit fuhren. Der Kaffee, den ich zwischen all den Menschen im Bahnhof trank, weil ich so verloren war. Der Kaffee, den wir uns in der Schule zogen, um einen Grund zu haben, zu spät zu kommen. Der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, der uns zeigte, dass es kälter werden würde. Der Glühwein, den wir in einem riesigen Topf in der Bar erwärmten, mit deinen Gewürzfantasien im Kopf. Er schmeckte fantastisch.

Tassen in der WG, die die Spüle verstopfen. Er Baileys, wir Tee, der Andere Wasser. Die Tasse, die als Schnapsglas herhalten muss, weil wir so etwas nobles in unserem Haushalt schlicht nicht besitzen. Die Espressotasse, die nur dafür genutzt wird, den Likör für Mischgetränke abzumessen, nicht etwa um Espresso zu trinken – wir haben ja noch nicht mal eine Kaffee Maschine. Wie sollten wir da in den Genuss von Espresso kommen? Deine Fantasse, meine Keramikbecher, seine Tasse mit seinem Namen drauf, die Tassen, die wir heimlich aus dem Haus schmuggelten und nie zurückbrachten. Die Tasse, die als Stiftebecher dient. Die Tasse, die du sammelst, weil sie dich an deine Kindheit erinnert. Die Tasse, die wir zusammen im Museum kauften. Die Tasse, die ich dir mal zu Weihnachten schenkte, weil sie mich an dich erinnerte. Die Tasse, um die ich weinte, weil sie dir hinfiel und seitdem Henkellos war. Ich brachte es nicht über mein Herz, sie einfach wegzuwerfen. Sie steht jetzt einfach da. Die Tasse, die mich so faszinierte, weil sie bei heißen Getränken ihre Farbe änderte. Die Tasse, die mit 14 meinen ersten Lippenstiftabdruck trug. Mittlerweile könnten meine Tassen diesen Abdruck nicht mehr zieren, ich trage keinen Lippenstift mehr. Die Tasse, die ich immer bekam, als ich bei euch war. Die Tasse, die ich immer haben wollte, aber nie besaß. Die Tasse, die mit jedem Spülmaschinen Besuch etwas bleicher wurde, bis ich dieses Waschen unterließ. Die Tasse meiner Lieblings Talk Show, die ich mir unbedingt aus den USA bestellen wollte, bis ich kurz vor Zahlvorgang merkte, dass sie gar nicht nach Deutschland verschickt werden konnte– wegen der Pandemie. 🙁 Die Tasse, die wir alle gemeinsam mit Keramikstiften verzierten. Die Tasse, die ich mit 5 Jahren stolz mit Farben verschönerte, damit wir für jedes Familienmitglied ein persönliches Geschenk hatten. Die Tassen, die zu meinem Porzellan passen. Die Sammeltassen, die fundamental sind für alle Programmkurse der OASE, die besonders besonders sind. Die Tasse, um die du weintest, bist du sie wiederhattest. Die Tassen, die als Requisite dienten. Gefüllt mit unseren Getränken. Gefüllt bis zum Rand mit unseren Erinnerungen. Stücke, die unsere Persönlichkeit markieren. Unser Leben auf dieser Welt. Erinnerungen werden zu Fluchtpunkten. Durch ihn.

„Aber Gott hat mich vor euch her gesandt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer großen Errettung.“ (1 Mose 45,7)

(Helena Minner, Jahrespraktikantin)

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